Friday 23 September 2011

Jan Fleischhauers Kampf gegen das Böse

An dieser Stelle eine Fußnote zu meiner längeren Polemik gegen Jan Fleischhauer, die konservative Ein-Mann-Sturmabteilung des Spiegels. Fleischhauer hat sich diesmal linke Verschwörungstheorien vorgeknöpft, vor allem zur Griechenlandkrise, eigentlich aber zu diesem und jenem, wie das in seiner Kolumne oft der Fall ist.

Fleischhauers rhetorische Taktik ist barbarisch einfach. Zunächst einmal wird sarkastisch der "unbedarfte Zeitgenosse" vorausgesetzt, der nicht in der seltsamen Welt der Linken lebt: Volkes Stimme, deren simple Vernunft der linken Meinungselite nicht gut genug ist - so sei "der Niedergang Griechenlands Folge einer Politik, die auf übermäßige Schulden statt auf Wachstum setzte, und für die nun, mit Verspätung, die Rechnung präsentiert wird". Daß dieser common sense stets mit der Meinung von Kanzlerin und Konservatismus übereinstimmt, muß Zufall sein.

Der offenkundigen Wahrheit wird nun ein Strohmann gegenübergestellt, der ausschließlich glaubt, was dumm, verrückt und außerdem dem gemeinen Volke schädlich ist: "die Linken" als solche. Ob Fleischhauer dabei im Einzelfall recht hat (was allgemein nicht der Fall ist), ist nicht wichtig, da er sich mit seiner fehlerhaften Argumentationsweise schon selbst aushebelt und des konkreten Gegenbeweises gar nicht bedarf.

Am schönsten aber ist Fleischhauers Zusammenstellung der verabscheuten Verschwörungstheoretiker:
Es ist kein Zufall, dass sich das paranoide Denken vor allem in den kritischen Kreisen hält. Wer laufend gegen das Böse kämpft, gegen übermächtige Feinde und böse Machenschaften, dessen Gemütszustand ist naturgemäß etwas angespannt. Der Kampf gegen drohendes Unheil, sei es der Atomtod oder die Diktatur der Finanzmärkte, gibt dem Leben Richtung und Sinn, was sich bei der Nachwuchsgewinnung durchaus bezahlt macht. Nur führt die nervöse Weltsicht eben auch dazu, dass sich die Perspektiven verschieben und der Realitätssinn leidet. Von der Rede über das "System" bis zur Annahme, dass SIE im Hintergrund die Fäden ziehen, ist es nur ein kleiner Schritt.
Ein treffenderes Selbstportrait hätte Fleischhauer kaum gelingen können, hat er sich doch dem Kampfe gegen das durchaus als böse empfundene linke Meinungsmonopol verschrieben. "Die Linke" ist für ihn eine Masse, die mit einem Willen alles unterminiert, was ihm lieb und teuer ist - wobei seine Monomanie die zur Schau getragene spöttische Überlegenheit Lügen straft. Eben weil er die Linke als geschlossene Feindesmacht begreift, kann er Naomi Klein, 9/11-Verschwörungstheoretiker und erfundene Positionen vermengen, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ist letztlich doch alles eins.

Ist denn nun die griechische Katastrophe den Machenschaften der Banken zuzuschreiben? Natürlich nicht. Ebenso wie die Finanzkrise hat niemand die Eurokrise beabsichtigt. Aber dieses Beben, das niemand wollte und mit dem zunächst niemand umzugehen wußte, hat sich doch als Geschenk für gewisse Interessen erwiesen. In Großbritannien ergab sich daraus die Chance, aus einer mutmaßlichen Schuldenkrise die schon lange gewünschte Abwicklung des Sozialstaates zu postulieren; in Griechenland wird der öffentliche Dienst des Landes an internationale Firmen verscherbelt. Naomi Klein, die Fleischhauer wohl nicht gelesen hat, behauptet eben nicht, daß Weltkrisen von bestimmten Gruppen absichtlich ausgelöst werden, sondern daß die Ideologie der Chicago School ihre Jünger dazu befähigt, unabhängig entstehende Krisen in eine neoliberale Richtung zu lenken.

Fleischhauer ist auch darum ein Ritter von der traurigen Gestalt, weil er alle jene Züge, die er auf die Linke projiziert, selber aufweist. Ein Mensch, der sich dem Kreuzzug gegen alles Linke verschrieben hat, dürfte wohl als paranoid beschrieben werden; und wer sich als publizistischer Guerillero versteht, der zieht wohl gegen böse Machenschaften ins Feld. Die verschwörerische Deutung der Griechenlandkrise, die Fleischhauer übrigens gar nicht belegt - es muß sie geben! - ist mir dabei völlig unbekannt, obwohl ich unter Linken ein- und ausgehe. Fleischhauers Spiegelfechtereien ärgern mich nicht wegen ihres Gehalts, denn sie haben keinen. Mich wurmt das Spöttisch-Herablassende von jemandem, der zu Überlegenheitsgefühlen reichlich wenig Anlaß hat.

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